Gute Texte schreiben? Mach dich mal locker, Spaßvogel!

Dragan Popovic

Warum Ernst hinter den Schreibtisch im Bauamt und nicht in deine Texte gehört.

Okay, ich geb’s zu. Ich habe früher Dinge getan, die ich heute nie-nie-nie wieder tun würde. Meist spät am Abend oder in der Nacht, wenn mich niemand sehen konnte. Aber hey, ich brauchte das Geld damals wirklich. Und wenn du deinen Auftraggeber nicht verärgern willst, dann tust du eben, was er verlangt. Damals galt für mich: Tu es einfach. Hinterfrage nichts davon und versuch ja nicht, es auf deine eigene Art zu regeln. Immerhin geht es um Buchstaben und den guten Ruf des Unternehmens.

Schande über mein Haupt, aber jetzt ist es raus: Vor über zehn Jahren, als ich noch nicht hauptberuflich als Texter und Content-Marketing-Fuzzi gearbeitet habe, prostituierte ich mich auf einem bekannten Textauftrags-Portal. Immer und immer wieder. Es war so ziemlich alles dabei, was der gemeine Texter von heute gerne schreibt: Packende SEO-Meisterwerke über Multifunktions-Fernbedienungen, Infrarotkabinen, Rändelwerkzeuge, Achselenthaarung und Kurzurlaub Hund. Und das waren noch die eher spannendsten unter den Themen. Hauptsächlich waren es SEO-Texte mit perverser Keyword-Density und allem Drum und Dran. Lieblos dahingeklatscht, natürlich wie am Fließband.

So unterschiedlich dämlich die Themenfelder waren, hatten diese schmutzigen Jobs aber alle eines gemeinsam: Das durchweg bitchhaft formulierte, unrealistische Briefing im Boss-Befehlston. Meist in der Art:

„Schreiben Sie einen 250-300 Wörter langen SEO-Text zum Thema „Kurzurlaub Hund“. Sprechen Sie die Leser mit ‚Sie‘ an. Der Text muss ansprechend und angenehm zu lesen sein. Das Keyword „Kurzurlaub Hund“ muss mind. 75 Mal im Text vorkommen (in genau dieser Reihenfolge!!!!!!!!!). Wichtig: Der Text DARF NICHT aus anderen Quellen kopiert sein!!! Achten Sie auf einen seriösen Schreibstil!!!“

HALT, STOP!

Ein seriöser Schreibstil? Warum zur Hölle muss ein Text über verregnete Februarwochenenden mit Fiffi auf der sandstrandlosen Nordseeinsel Pellworm denn so seriös geschrieben sein? Etwa, weil ihn vielleicht ein DAX-Vorstand lesen könnte? Weil du glaubst, deine Zielgruppe erwartet einen bierernsten Text? Weil das pulsierende Eiland Pellworm als Partylocation schon spaßig genug ist? Oder weil du es als ebenso seriöser(hust-hust) wie humorloser Auftraggeber halt nunmal so siehst?

Meine Erfahrung der letzten Jahre: Wenn es um Unternehmenskommunikation und Marketing geht, möchte der bodenständige, ehrbare Kaufmann – nennen wir ihn Ernst – bloß nichts riskieren. Erst recht nicht in diesen Zeiten, wo dich doch an jeder Ecke der nächste Shitstorm in die Existenzlosigkeit treiben kann. Bestimmt kennst du selbst diese bierernsten Unternehmertypen. Der eine, der dich per Telefax zur Releaseparty seiner neuen Imagebroschüre einlädt. Dessen Website vor Vokabeln wie "ganzheitlich" und "nachhaltig" nur so strotzt. Der dir „maßgeschneiderte Lösungen vom Profi“ bietet und dein „kompetenter Ansprechpartner“ sein will. Der "Experte" mit "jahrzehntelanger Erfahrung und umfassenden Know-how", der mit freundlichen Grüßen „verbleibt“ und dich gerne "ausführlich" berät.

Aber warum denn so(,) Ernst?

Ich werde dir nun verraten, warum Ernst seine hochseriösen Texte haben will. Und worin sein Denkfehler liegt: in seinem Kommunikationsverständnis. Ernst glaubt fest daran, dass das, was wir persönlich sagen und das, was wir anderen schriftlich mitteilen, in Sachen Kommunikation zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe sind. Und zwar immer! Deshalb gehört es sich scheinbar nicht, seinen Kunden die eigenen Produkte oder Dienstleistungen auf locker-persönliche und zugleich verkaufsstarke Art schmackhaft zu machen – jedenfalls nicht in Textform. Humor und Vertrieb seien völlig unvereinbar. Denn was sieht der Kunde dort auf der Website? Richtig! Nur Buchstaben und Worte und nicht ihn live und persönlich in Fleisch-und-Blut-Gestalt! Wenn Ernst also nicht mit seinem gottgleichen Auftreten und seiner Kompetenz mächtig Eindruck beim Kunden schinden kann, tja ... dann müssen eben Buchstaben diesen Part übernehmen. Vielleicht hat er das 1997 mal so auf einem IHK-Kurs gelernt, wer weiß?

Leute, denen die Seriosität ins Gesicht geschrieben steht, haben vielleicht einfach nur ernsthafte Verdauungsprobleme.

Gehört Humor zu uns Menschen nicht einfach dazu?

Schauen wir uns Ernst aber mal von menschlicher Seite an. Wie kommt er wohl live im Kundengespräch rüber? Ich wage die kühne Behauptung: egal wie spießig der gute Mann zu sein scheint – wenn er mit einem sympathischen Kunden spricht und dabei ein wenig auftaut, dann wird sogar Ernst mal einen kleinen Scherz von sich geben oder gar mit seinem Gesprächspartner über etwas lachen. Und warum fühlen er und sein Kunde sich in so einer Situation wohl? Eben weil sie sich gegenseitig verstehen! Weil jeder von uns in gewissem Maße eine humorvolle Ader in sich trägt und jeder aus menschlicher Natur heraus (bewusst oder unbewusst) nach Momenten strebt, in denen er ein wenig lachen kann.

Jetzt frage ich dich: Warum solltest du diesen höchstmenschlichen Faktor in deinen Texten auslassen? Nur, weil der Text primär eine verkaufsstarke Funktion haben oder dich und dein Unternehmen von der bestmöglichen Seite zeigen soll? Weil du in deinem Marketingstudium etwas anderes gelernt hast? Weil in Texte einfach nüchterne Zahlen, Daten und Fakten gehören? Weil Humor in Texten unseriös ist? Falsch! Und warum?

Humor ist seit Urzeiten unser kleinster gemeinsamer Nenner. Die gemeinsame, zwischenmenschliche Wellenlänge. Und genau deshalb gehört er in die Phase der Konversion und in deinen Text, verdammt! Wenn der Text auf deiner Landingpage oder auf der Artikeldetailseite in deinem Onlineshop etwas verkaufen soll, dann schaffe die positive Grundatmosphäre dafür! Streu ein wenig Wortwitz ein, mach dich mal locker, Herrgott noch mal! Keine Sorge, deine zutiefst grundseriösen Kunden werden jetzt nicht damit anfangen, dich dafür zu hassen – im Gegenteil. Du erzeugst mehr Aufmerksamkeit und Sympathie als mit jeder trocken ratternden Salve, die aus deiner frisch geölten Corporate-Bullshit-Kalaschnikow abfeuerst!

Entdecke den Spaßvogel in dir

Ich möchte dir zunächst mal beglückwünschend auf die Schulter klopfen, dass du dich jetzt dafür entschieden hast, deine stocksteife Schreibe einmal zu überdenken. Nichtsdestotrotz habe ich die leise Ahnung, dass du dich womöglich fragst: „Der Dragan mag ja Recht damit haben, dass Humor in der Unternehmenskommunikation und in Conversion-fördernden Texten durchaus einen positiven Effekt haben kann. Aber woher weiß ich, dass ich mich nicht irgendwann zum Affen damit mache?“

Die Antwort ist ziemlich einfach: Du machst niemals einen auf King Louie, wenn du dein Fachgebiet sicher beherrschst. Das heißt für dich: Je mehr Witz du in einen Text steckst, desto wahrer und fundierter sollte er also sein. Wenn du es schaffst, auch einen sehr komplizierten Sachverhalt humorig und gegebenenfalls auch für Laien nachvollziehbar rüberzubringen, erzeugt dies beim Gegenüber folgenden Gedanken im Hinterkopf: „Hey, dieser Mensch da hat echt Ahnung von der Materie. So locker, unterhaltsam und anstrengungslos er mir das Thema erklärt ... wow – dem kann ich vertrauen.“

Vor allem letzterer Punkt ist interessant: Vertrauen. Jemandem, der mich zum Lachen bringt, dem unterstelle ich instinktiv nicht, dass eine böse Absicht hinter seinen Scherzen steckt. Ganz im Gegenteil. Es wird nun also höchste Zeit für dich, den Spaßvogel in dir zu entdecken, wenn du textlich mehr Kompetenz ausstrahlen und Vertrauen bei denen Kunden erzeugen willst.


Fünf Tipps, wie du mehr Heiterkeit in deine Buchstabensuppe streust

Ich verlange ernsthaft von dir, dass du dich mit deinen Texten humor- und lockerheitskritisch auseinandersetzt. Also wirst du jeden Satz aus deinen Artikelbeschreibungen, auf deinen Landingpages, in deinem Über-uns-/ Über-mich-Text unter die Lupe nehmen und dabei folgende Tipps umsetzen:

  • 1. Trau dich mal was!

    „Müller, sind Sie wahnsinnig? Das können Sie so nicht schreiben. Das entspricht nicht unserer Unternehmenskommunikation!“ Wenn das die Reaktion deines Chefs auf einen Text von dir ist, dann hast du vielleicht schon etwas richtig gemacht. Auf jeden Fall zeigt es, dass du zumindest einmal etwas anders gemacht hast, als sonst üblich. Manchmal muss man sich beim Texten eben überwinden. Tu es. Sei frech. Teste die Grenzen aus. Trau dich was!
  • 2. "Kommt 'n Mann zum Arzt ... " – Dosiere von Anfang an dein Humorgewürz!

    Als gelernter Koch kann ich dir auch beim Texten raten: Achte darauf, wie viel du wovon verwendest. Willst du wissen, wie dein Text wird am Ende aussehen wird? Ganz einfach: So, wie du angefangen hast, ihn zu schreiben. Beginnst du mit Beamtendeutsch, kriegst du ihn später nicht aufgelockert und ein Witz zwischendurch käme irgendwie unpassend rüber – vielleicht erkennt man ihn noch nicht mal als solchen. Beginnst du hingegen mit einem Spaßfeuerwerk à la Fips Asmussen, so zieht sich das durch den ganzen Text. Und das kriegst du nur durch extrem viele fachlich fundierte Fakten wieder gerade gezogen. Frage dich: Sollen deine Leser vor Lachen einnässen, interessiert ‚aha‘ sagen, durchweg schmunzeln oder alles gleichzeitig? Finde deinen Stil, eine Grundstimmung und die passende Dosierung der Zutaten für dein späteres Wortgulasch.
  • 3. Rege die Sinne an

    Sinnbilder regen die Fantasie des Lesers an und sorgen gleichzeitig dafür, dass sie das Gelesene besser verstehen. Mache das, worüber du schreibst, so fühl- und erlebbar wie möglich. Wie klingt es? Wie ein angetrunkener Dieter Bohlen, dem ein Gabelstapler auf den Fuß gefahren ist? Wie sieht es aus? Wie ein epilierter Waschbär mit Ein-Euro-Plastikhausschuhen? Wie schmeckt es? Wie ein kalter serbischer Bohneneintopf, in den rostige Radmuttern gefallen sind? Wenn du über etwas schreibst, dann be-schreibe es. Sei ruhig etwas großzügiger mit den Details und ziehe Vergleiche, die nicht alltäglich oder bereits millionenfach an anderer Stelle gezogen worden sind.
  • 4. Kenne deine Grenzen

    Es ist gut, wenn dir etwas Witziges zu einer Sache in den Sinn kommt und du es spontan in deinen Text einbringst. Oder wenn es dein Naturell ist. Dann sei einfach du selbst. Wache aber bitte nicht morgens auf und sage vorm Rasierspiegel: "Juchhei! Heute tu' ich es, heute ist der Tag, an dem ich gar so viel Lustiges schreiben werde!" Humormäßig mit der Brechstange schreiben? Nein. Tu's nicht. Besser gar nicht lustig als krampfhaft lustig.
  • 5. Vergiss deine Eitelkeiten

    Und das ist meiner Meinung nach der wichtigste Punkt, wenn du einen Text schreibst. Ja, schreib wie du selbst, hab deinen Stil und verbieg dich nicht unnötig. Wenn aber jemand deinen Text liest und dabei das Gefühl hat: „Oh, hier will einer aber wichtig klingen und will sich wohl verewigen“ oder "Der schwafelt ja wie Richard-David Prechts Halbbruder auf verunreinigtem Speed", dann schreibst du nicht aus Lust am Schreiben, dann ist es zu aufgesetzt oder einfach nicht du. Also, mach dich mal locker, Spaßvogel. Etwas, das in deinem Kopf gerade irgendeinen Sinn ergeben haben will und du es nun deshalb zu Papier bringen musst, ist für deine Leser nicht zwangsläufig genau so glasklar oder witzig. Deinen Spaß und deine Freude am Texten liest man hingegen automatisch heraus, wenn es wirklich so ist. Dennoch: Wenn es jemanden gibt, dem dein Text gefallen soll, dann ist dieser Jemand nicht du. Es geht um die Leserschaft, nicht um dich, sorry! Understatement ist gefragt. Oder bist du etwa eine moralische Instanz? Wenn nein, dann nimm dich und dein Geschriebenes nicht zu sehr ernst.

Fazit: Eine Portion Humor hat bis jetzt noch keinen Text getötet.

Wie sollst du jetzt anfangen? Nun, probier dich mal aus! Trau dich was! Gib witzige und zugleich fachlich absolut fundierte Aussagen ab. Ziehe absurde Vergleiche, übertreib ruhig mal ein wenig. Das Geschäft im Internet ist nämlich schon hart genug. Hab wenigstens Spaß dabei bring andere zum Lachen. Gibt es in Sachen Humor auch Grenzen, dann teste sie aus. Und wenn es funktioniert: Mach weiter! Und falls du mal eine Inspiration brauchst, dann ruf mich an oder schreib' mir eine E-Mail!