„RÜCKENWIND“ für alte Windkraftanlagen
Mitten in der Main-Kinzig-Region, begleitet von Karlsruher Partnern, wird ein innovatives Weiterbetriebskonzept für ausgediente Windturbinen entwickelt. Die WIV GmbH ist Teil des Projektes und bringt ihre langjährige Erfahrung im Bereich der Plattformökonomie mit ein.
Nach 20 Jahren endet die EEG-Förderung von Windenergieanlagen – bis spätestens dann muss die Entscheidung der Betreiber gefällt sein: Weiterbetrieb am Standort, alte Anlagen durch leistungsfähigere Modelle ersetzen oder ist ein kompletter Rückbau alternativlos? Gesetzliche und politische Rahmenbedingungen zwingen Betreiber oft dazu, zu letzterer Option für Ihren Windpark zurückzugreifen – und das, obwohl die Anlagen dank regelmäßiger Wartung technisch oftmals noch viele Jahre laufen könnten.
Die Frage, warum ausgeförderte Windenergieanlagen ihren Lebensabend nicht andernorts verbringen könnten, stellte man sich bei der WIV GmbH in Gelnhausen schon vor gut zehn Jahren und entwickelte mit wind-turbine.com quasi das „mobile.de für Windkraftanlagen“, wie dessen Gründer Bernd Weidmann das inzwischen weltweit größte Online-Portal der Windbranche treffend beschreibt.
Nun denkt man hier im Gelnhäuser Coworking Space „Kinzig Valley“, in dem wind-turbine.com beheimatet ist, noch einen Schritt weiter und widmet sich im Rahmen des Projekts RÜCKENWIND der aktuellen Herausforderungen der Entwicklung einer digitalen B2B-Plattform. Diese soll hiesigen Betreibern sowohl neue Perspektiven für den Weiterbetrieb Ihrer Anlagen im Ausland eröffnen, als auch deutschen Serviceunternehmen aus dem Bereich Windenergie den Zugang zu internationalen Märkten erleichtern.
Trotz der ambitionierten Pläne Deutschlands, 65 % Ökostrom-Anteil bis 2030 zu erreichen, ist für deutsche Windfirmen der Blick ins Ausland dringlicher denn je. Denn obwohl man im Zuge der Klimaziele einen regelrechten Boom der erneuerbaren Energien erwarten würde, geht deren Ausbau aus vielen Gründen nur mit angezogener Handbremse vonstatten: Knappe Flächen, komplizierte Erschließung, Wegfall vieler Potenziale durch Abstandsregelungen und eben besagter Wegfall der EEG-Förderung nach 20 Jahren inklusive Ungewissheit über die Zukunft der ausgeförderten Anlagen. Letzteres betrifft sage und schreibe knapp 25 Prozent des aktuellen Anlagenbestands in Deutschland bis 2025.
Diesen Mix aus Ungewissheit und schleppendem Vorankommen der Windbranche möchte das Forschungsprojekt RÜCKENWIND mit einem innovativen Weiterbetriebskonzept auflösen. Einerseits soll alten Anlagen weitere Jahre des Betriebs im Ausland ermöglicht werden, andererseits wird ein B2B-Plattformgeschäftsmodell etabliert, an dem alle Teilnehmenden profitieren und partizipieren: Betreiber in Deutschland stellen ihre ausgeförderten Anlagen ausländischen Betreibern zur Verfügung und verdienen an jeder am neuen Standort erzeugten Kilowattstunde anteilig mit. So wird aus „Made in Germany“ quasi „Operated by Germany“.
Neubetreiber im Ausland, die sich ohne dieses Forschungsprojekt nur schwer Windenergieanlagen leisten könnten, werden durch einen deutschen Servicebetrieb in den Markt eingeführt und erhalten einen einfachen Zugang zu Technologie, die sich in Deutschland jahrelang bewährt hat und technisch noch für viele Jahre dazu in der Lage ist, zuverlässig Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen. Die Servicebetriebe und Hersteller, die ebenfalls aus Deutschland stammen, erhalten auf einfache und kostengünstige Weise Zugang zum internationalen Wachstumsmarkt. Obendrein ist das Ziel des Projektes RÜCKENWIND, das Recycling nach den in Deutschland gültigen Standards für einen ordnungsgemäßen, umweltschonenden Rückbau auch im Ausland zu etablieren.
Für den WIV-Geschäftsführer und wind-turbine.com-Gründer Bernd Weidmann ist Eile geboten, ein schlagkräftiges Weiterbetriebskonzept zu etablieren: „Uns bleibt nicht mehr allzu viel Zeit! Es braucht jetzt innovative Ideen und pragmatische Ansätze, um die globale Energiewende zu wuppen. Vieles muss einfach schneller gehen und wir sind sehr motiviert, mit unseren Partnern aus Karlsruhe, aktiv unseren Betrag leisten zu dürfen!“ Das Plattformgeschäftsmodell wird in Zusammenarbeit mit der Hochschule Karlsruhe und dem IT-Unternehmen let’s dev entwickelt. Letzteres ist für die technische Umsetzung verantwortlich. „Wir von der Hochschule Karlsruhe freuen uns sehr darüber, im Projekt Rückenwind ein innovatives Plattformgeschäftsmodell für die Windbranche zu entwickeln“, sagt Prof. Carsten Hahn von der Hochschule Karlsruhe (XLAB) und Partner des Forschungsprojektes. „Denn das Rückenwind-Projekt bietet uns nicht nur einen realen Anwendungsfall mit kompetenten Partnern, sondern ermöglicht es uns zudem, unseren Beitrag zu Energiewende zu leisten.“ Mit diesen gebündelten Kompetenzen wird aus „Made in Germany“ schießlich „Operated by Germany“, und das dank einer Idee „Born in Gelnhausen“, mitten im Main-Kinzig-Kreis.